Das Projekt, „Svitac Bosnia“, ist von der NGO (Nichtregierungsorganisation) „Firefly international“ gestiftet. Die NGO hat ihren Hauptsitz in Schottland und richtet ihre Unterstützung an Kinder, die direkt oder auch indirekt von den Folgen jahrelanger Kriege betroffen sind. Projekte von Firefly international gibt es in Bosnien, Syrien und in Gaza.
Von genau dieser NGO und einem Unterstützer der Organisation hatten wir letzte Woche Besuch, da sich die Mitarbeitenden aus Schottland ab und zu auch anschauen wollen, wie genau die Projekte und deren Umsetzung vor Ort eigentlich aussehen. Zwei Tage hatten wir also schottischen Besuch und durften die Stadt sowie das Projekt zeigen.
Im Rahmen dieses Besuches hatten wir auch verschiedene Workshops, unter anderem einen Workshop zum Thema Nationalismus und Mobbing mit ebendiesem Hintergrund des Nationalismus.
Ich bin ehrlich, es hat mich so unfassbar geschockt, wie ausgeprägt der Nationalismus hier ist.
In meinen Vorbereitungen auf das Auslandsjahr ist mir auch infolge des Kriegs bewusst geworden, dass das Land noch immer sehr gespalten ist. Das konnte ich auch aus Gesprächen in den ersten Wochen hier raushören. Doch die ungefilterte Meinung, vor allem der Generation, die den Krieg miterlebt hat, oder mit seinen direkten Folgen aufgewachsen ist, war nochmal heftiger und etwas mit dem ich in diesem Ausmaß nicht gerechnet hatte.
Beispielsweise habe ich häufig berichtet bekommen, dass es nicht gerne gesehen wird, wenn sich der Freundeskreis aus verschiedenen Religionen zusammensetzt.
Alle Schüler*innen mit denen ich reden konnte haben mir jedoch erklärt, dass sie inzwischen eine andere Sicht auf die Dinge haben. Dabei werden sie vermutlich beeinflusst durch Social Media, die Aufklärung nach dem Krieg, sowie den Kontakt zu Menschen verschiedener ethnischer Gruppen dank NGO’s. In diesem Fall Svitac. Sie sind sehr weltoffen – sowohl im Vergleich zu dem, was ich über die Generationen vor ihnen höre, als auch ganz allgemein. Dennoch sehe ich es als großes Problem an, dass die älteren Generationen spätestens seit dem Krieg einen unfassbaren Hass auf die anderen Ethnien haben.
Der andere Workshop, in diesem Rahmen, war zum Thema „Volunteering“. Dabei ging es ganz allgemein um die Arbeit als Freiwillige*r in einer NGO, speziell bei Svitac und aber auch international.
Bei diesem Workshop hatten wir eine Abschlussklasse der Grundschule zu Besuch.
(Anmerkung: die Grundschule geht hier von der 1. bis zur 9. Klasse, danach gibt es das Gymnasium, von der 10. bis zur 13. Klasse)
Besonders Interesse zeigte die Klasse an der Möglichkeit des internationalen Freiwilligenaustausches, da generell Freiwilligenarbeit hier nicht üblich ist, ein Gap-Year nach dem Abschluss, aber noch viel weniger.
Eine Art FSJ wird hier weder von Familien, Schulen oder der Regierung unterstützt. Die Anforderungen sind ganz klar, nach dem Schulabschluss soll am Besten Geld verdient werden, selbst das Studieren wird häufig als Zeitverschwendung angesehen, wobei sich das in den letzten Jahren schon stark geändert hat. Eine Arbeit (Freiwilligendienst), bei der man also nicht einmal Geld verdient, wird von vielen deshalb gar nicht erst in Betracht gezogen.
Was jedoch hier sehr üblich ist, ist das Erlernen der deutschen Sprache. Das fand ich am Anfang sehr verwirrend, da es für mich keine offensichtliche Verbindung zwischen Bosnien und deutschsprachigen Ländern gibt (Außer vielleicht den 1. Weltkrieg, der ja in Sarajevo ausgelöst wurde). Jedoch ist es so, dass sehr viele Schüler*innen hier nach dem Schulabschluss nach Österreich oder Deutschland zum Studieren gehen. Ihnen fehlt hier häufig die Aussicht auf eine bessere Zukunft, da das Land immer noch viel mit den Auswirkungen des Kriegs (1992-1995) zu kämpfen hat (Nationalismus) und auch die Regierung nicht sonderlich viel für ihr Land tut (Korruption). Doch anstatt, dass die Regierung etwas gegen diese massive Emigration unternimmt, zum Beispiel in Bildung investieren oder sonstige attraktive Zukunftsvisionen für junge Menschen zu schaffen, führt das Land jetzt an allen Schulen (zumindest hier im Distrikt Brcko) Deutsch als verpflichtende zweite Fremdsprache ein, und fördert somit in gewissermaßen die Auswanderung der jungen Generation.
Die Emigration ist hier tatsächlich ein großes Thema, ein Großteil der jungen Generationen möchte Bosnien-Herzegowina langfristig verlassen. Die meisten in Richtung Europa. Viele davon eben in den deutschsprachigen Raum. Ich möchte eigentlich keine voreiligen Schlüsse ziehen, bin mir aber sicher zu behaupten, dass ich es nachvollziehen kann.
Brčko ist eine Stadt mit ca. 50.000 Einwohner*innen. Das Freizeitangebot jedoch lässt sich definitiv an einer Hand abzählen. Es gibt Cafes und eine Fußgängerzone, mit wenigen Einkaufsläden. Es gibt quasi kein Kulturangebot, kein Theater, kein Kino. Das Fußballstadion wurde vor 10 Jahren einmal angefangen zu bauen, aufgrund von Korruption haben reiche Menschen jetzt noch mehr Geld. Jetzt hat Brcko ein angefangenes Stadion, das noch immer eine Baustelle ist. Allerdings wird da schon lange nicht mehr gebaut.
Das Schwimmbad war vor dem Krieg einmal modern und vor allem funktionsfähig, hat mir ein Mitarbeiter der Organisation erzählt.
Heute gleicht das Schwimmbad einer Ruine und verfällt mehr und mehr.
Spielplätze habe ich hier seit meiner Ankunft genau Einen gesehen.
Das Einzige, was hier für Kinder und Jugendliche geboten wird, findet im Jugendzentrum und einer weiteren NGO statt.
Auch gerade deshalb bin ich sehr froh, mich hier in die Arbeit als Freiwillige einbringen zu können und zumindest ein Stück weit etwas zu einem abwechslungsreicheren Alltag für Kinder und Jugendliche beizutragen.


